Stellungnahme der LandesAstenKonferenz Berlin zum Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft

Als LandesAstenKonferenz Berlin haben wir das Vorhaben bisher immer unterstützt, die Novellierung des BerlHGs noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Jedoch halten wir folgende Nachbesserungen im aktuellen Entwurf für zwingend erforderlich, um dieses Vorhaben noch weiter unterstützen zu können:

  • Innovationsklausel streichen (§7a)
  • Ordnungsmaßnahmen ersatzlos streichen (§16)
  • Studienlast und Prüfungsdichte
    • §22a Verhältnis Arbeitsaufwand und ECTS anpassen
    • §30 Wiederholungsfristen abschaffen, Prüfungsanspruch nach Exmatrikulation beibehalten, höherer Anteil an Modulen ohne Prüfungsleistung, unbegrenzte Prüfungsversuche
    • §31 Verbot von Anwesenheitspflicht hinzufügen
  • Ohne Zustimmung der LSK keine Änderungen in Studium und Lehre (§61)
  • Verpflichtung zu Open Science (§41)

Demokratie

Stimmverhältnisse wurden nicht hin zur Viertelparität geändert (§ 46), die einzige Ausnahme ist die Wahl zur Frauenbeauftragten im Paragrafen §59. Hier bedeutet eine Viertelparität aber eine deutliche Entdemokratisierung, die dadurch gegebene Stimmverteilung entmündigt alle Statusgruppen außer die professorale. Auch im akademischen Senat bleibt es bei der professoralen Stimmenmehrheit, obwohl offensichtlich ist, dass Innovation selten von der kleinsten Mitgliedergruppe der Hochschule ausgeht. Der vorliegende Entwurf erweitert dieses Ungleichgewicht sogar noch und ermöglicht Gremien, die nahezu ausschließlich aus Professor*innen bestehen (§60, §62). Auch die verbindliche Zusage der Koalition, die Kommissionen für Lehre und Studium durch Herstellung von Einvernehmlichkeit in Studien- und Lehrangelegenheiten in §61 zu stärken, findet sich in diesem Entwurf nicht wieder. Dadurch ist es möglich, die Kommission für Lehre und Studium bei Entscheidungen zu übergehen.

Der gesetzlich festgeschriebene Kompetenzzuwachs beim Präsidium, der an den Hochschulen bereits durch die Erprobungsklausel ermöglicht wurde, ist ebenfalls problematisch. Die Präsidien erhalten nun endgültig die alleinige Personalhoheit (§ 67), welche an HU und FU nachweislich missbraucht wurde, um gewerkschaftlich aktive Beschäftigte zu kündigen oder ihre Einstellung zu verhindern. Hier ist eine Kontrollmöglichkeit durch den Akademischen Senat notwendig, um einen politischen Zugriff auf die personelle Zusammensetzung der Mitgliedergruppen zu vermeiden. Zudem fallen den Präsidien alle nicht im Gesetz zugewiesenen Hochschulangelegenheiten zu, während sie zugleich in Streitfragen über die Zuständigkeit von Gremien und Organen richten sollen (beides § 52). Diese Kombination bietet einen Freifahrtschein zur missbräuchlichen Kompetenzaneignung, die (zumindest an der FU) bereits beobachtet werden konnte. Allein vor diesem Hintergrund ist eine Verlängerung der Amtszeiten auf sechs Jahre, wie es der Entwurf vorsieht, nicht zu rechtfertigen (§ 55, 57). Anstatt einen guten Rechtsrahmen für mehr Demokratisierung zu setzen, wird Hochschulautonomie immer noch als Autonomie der Präsidien verstanden. Dies wird auch daran ersichtlich, dass die Teilnahme an Sitzungen des Präsidiums für Vertreter*innen des AStA oder der Personalvertretung entgegen dem ersten Entwurf aus dem Februar und dem jetzt gültigen BerlHG nicht weiter vorgesehen ist (§51). Außerdem ist anzumerken, dass die Regelung der Rechte und Pflichten des Präsidiums über mehrere Paragrafen verteilt sind und somit die Intransparenz der Hochschulpolitik erhöht wird (§40, §52, §59a, §60, §67). Eine entsprechende Regelung aller Rechte und Pflichten in §40 würde ein Umgehen dieser via Innovationsklausel in aktueller Form verhindern.

Die Veröffentlichungsrichtlinien für Forschungsergebnisse in §41 sind eine eindeutige Abkehr von den Grundsätzen der Open Science. Das Argument der Wissenschaftsfreiheit darf hier auf keinen Fall missbraucht werden, um finanzielle und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Studierenden sowie wissenschaftlich Interessierten muss kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ermöglicht werden.

Die Innovationsklausel lässt noch immer zu viel Spielraum, um antidemokratische Leitung zu ermöglichen. Es muss deutlich werden, dass die von dem Gesetz eingeräumten Rechte nicht umgangen werden können, gleichzeitig muss Spielraum für mehr Demokratie ermöglicht werden. Der ursprüngliche Vorschlag der Koalitionsfraktionen, das Gesetz als Mindestanforderung zu betrachten, und nur darüber hinaus Regelungen zuzulassen, sollte umgesetzt werden. Dementsprechend fordern wir die ersatzlose Streichung von §7a.

Sollte eine Innovationsklausel weiterhin vorgesehen sein, darf es keinen Bestandsschutz für Regelungen nach dem alten §7a geben, da dadurch die demokratischen Neuerungen im Gesetz unterlaufen werden würden.

Der Deregulierung und Schwächung von demokratischer Teilhabe stehen detaillierte Ordnungsmaßnahmen gegen Studierende gegenüber (§ 16). Die vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen manifestieren ein Repressionsinstrument, mit dem die Präsidien der Universitäten gegen ihnen unliebsame Studierende vorgehen können. Auch die Gründe, die für das Einleiten von Ordnungsmaßnahmen angeführt werden können, lassen einen zu großen Spielraum für Willkür und gefährden eine kritische, selbstbestimmte Studierendenschaft. Es darf keine Ordnungsmaßnahme sein, Studierende wegen studentischen Protests zu exmatrikulieren. Wir fordern daher die ersatzlose Streichung des Paragrafen.

Studium und Lehre

Das in der Koalitionsvereinbarung festgehaltene Versprechen eines selbstbestimmten Studiums wurde nicht eingelöst: Anstelle einer Einschränkung der Wiederholungsfristen in §30 für nicht bestandene Prüfungen, bedarf es einer gänzlichen Streichung. Eine generelle Begrenzung der Anzahl an Prüfungsversuchen bleibt bestehen und sogar der grundsätzliche Prüfungsanspruch nach Exmatrikulation wird abgeschafft (§ 30). Hinzu kommt, dass künftig bei (unterstellten) Täuschungsversuchen auch bisher erbrachte Studienleistungen ihre Wertigkeit verlieren können und die Wiederholung ganzer Lehrveranstaltungen angeordnet werden kann.

Das Ziel, Hochschulen zugänglicher und diskriminierungsfreier zu machen, wurde deutlich verfehlt: An den für den Studienalltag relevanten Stellen fehlte der Mut zu ausschlaggebenden Änderungen.
Die genannten Änderungen belasten vor allem Studierende mehr, die ihre Zeit für die Prüfungsvorbereitung auf Grund von beruflichen Verpflichtungen oder Betreuung und Pflege von Angehörigen weniger flexibel aufwenden können. Auch Studierenden mit psychischen Problemen oder chronischen Erkrankungen wird so kein Lösungsweg eröffnet, ihr Studium erfolgreich abschließen zu können. Eine Abschaffung dieser willkürlichen Begrenzungen ist eine zentrale Anforderung an ein modernes Gesetz.

Während durch das Teilzeitstudium die Studierbarkeit verbessert wurde, besteht weiterhin eine zu hohe Studienlast. Das fragwürdige Konstrukt der Regelstudienzeit besteht fort, obwohl diese an der Realität des Studiums vorbeigeht und finanzielle und biografische Benachteiligungen nach sich zieht. Sinnvoll wäre eine Aufteilung in eine Studienzeitgarantie, die sich verpflichtend an die Hochschulen richtet, sowie einer Regelstudiendauer, die sich an der realen Durchschnittsdauer von Studienabschlüssen orientiert. Auch das für mehr studentische Selbstbestimmung notwendige Verbot von Anwesenheitspflicht bzw. -kontrollen wird nicht angegangen. Die Modulprüfungsdichte ist weiterhin zu hoch und stellt eine psychische Belastung für Studierende dar. Der inhaltlichen Selbstbestimmung durch mehr freie Wahlmöglichkeiten im Studium wurde ebenso nicht Genüge getan.

Die Verschärfung des geplanten §5a erhöht ebenfalls unnötigerweise den psychischen Druck auf Studierende.

Weitere Punkte

Hinsichtlich Diversität und Antidiskriminierung wurden allenfalls oberflächliche Änderungen vorgenommen. Wie bereits im Absatz zu Studium und Lehre beschrieben, wurden wesentliche Problemfelder vernachlässigt, die den Alltag von Studierenden maßgeblich prägen. Das Schaffen von Antidiskriminierungsstellen begrüßen wir, jedoch sind diese allein kein Mittel, strukturelle Probleme an Hochschulen zu lösen. Ein progressives Gesetz bedarf mehr als nur Einzelfalllösungen.

Auch das Themenfeld Nachhaltigkeit wurde unserer Einschätzung nach allenfalls flüchtig behandelt. Es gibt nur eine Stelle an die Nachhaltigkeit explizit erwähnt wird und strukturell werden Gremien und Konzepte, die Nachhaltigkeit thematisieren, nicht im Gesetz eingebunden.