Dies ist eine Stellungnahme der LandesAstenKonferenz zu Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Berliner Studierende anlässlich der Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 25.05.2020.
Seit April 2020 befindet sich die Berliner Hochschullandschaft in einer Ausnahmesituation. Der Präsenzbetrieb wurde weitestgehend eingestellt und mehrere zehntausend Studierende mussten ihr Studium in das Internet verlegen. Gleichzeitig ist für viele Studierende durch die coronabedingten Schließungen die Existenzgrundlage weggefallen. Die LandesAstenKonferenz begrüßt, dass Lehrveranstaltungen möglich gemacht werden, um Studierenden ihren Abschluss zu ermöglichen. Sie sieht bei der Umsetzungen aber einige Probleme.
Soziale Situation der Studierenden
Die prekäre Situation der Studierenden ist nicht zu unterschätzen. Eine Umfrage des Referats für Lehre und Studium des Referent*innenrats (gesetzlich AStA) der Humboldt Universität unter mehr als 4000 Studierenden hat ergeben, dass 79,6% der Befragten durch mittelbaren und unmittelbaren Einkommenseinbußen in unterschiedlichem Maße in Existenznot geraten sind. Auch der Umfang an Anträgen an die Notfhilfe-und Technikfonds des studierendenWERKs, die beide innerhalb kürzester Zeit ausgeschöpft waren, macht deutlich, dass hier ein großer Bedarf besteht.
Das Angebot des Bundesbildungsministeriums halten wir, wie andere Studierendenvertretungen, für absolut unzureichend. Die Hilfen kommen zu spät, erfordern einen hohen bürokratischen Aufwand und nehmen die Verschuldung von Studieren und damit eine zunehmende soziale Segregation der Studierenden in Kauf.
Die Möglichkeiten der Studierenden, an Online-Angeboten teilzunehmen sind sehr unterschiedlich. Teilweise mangelt es an angemessener technischer Ausstattung und einer stabilen Internetverbindung. Durch Betreuung von Kindern und Pflege von Angehörigen hat sich die Arbeitsbelastung vieler Studierender erhöht. Unter der aktuellen Situation im allgemeinen leiden besonders ausländische Studierende und Studierende mit Kindern.
Auch, wenn von Seiten der Universitäten vieles möglich gemacht wurde, so ist klar, dass in diesem Semester kein vollwertiges Studienangebot durchgeführt werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass eine große Zahl Studierender das Studium nicht in der vorgesehenen Zeit abschließen werden. Um weitere Nachteile bspw. bei der Förderung durch BAföG-Leistungen oder Stipendien zu verhindern, ist es jetzt nötig Vorkehrungen zu treffen. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Ankündigung, das Sommersemester nicht in die Fachsemesterzahl einzubeziehen. Was dies bedeutet und wie es konkret umgesetzt werden soll ist aber weitgehend unklar.
Weitere Unsicherheit ergibt sich für die Studierenden bezüglich der anstehenden Prüfungen, zu denen nur nach und nach Informationen durchsickern und im Hinblick auf die Studienorganisation im kommenden Wintersemester.
Qualität der Lehre
Viele Studierende klagen über erhöhte Leistungsanforderungen im laufenden Semester. Durch die rapide Umstellung auf ein Online-Angebot und fehlende zentrale Empfehlungen griffen einige Dozierende darauf zurück, die Anwesenheit und Mitarbeit durch Aufgaben sicher zu stellen, die in ihrem Umfang den einer regulären Lehrveranstaltung deutlich überstiegen. Während einige Dozierende, die darauf angesprochen wurden, die Anforderungen der Situation anpassten, liegt es in anderen Fällen an den Prüfungsausschüssen, die Angemessenheit der Aufgaben festzustellen.
Darüber hinaus wurde in der Konzeption verschiedener Veranstaltungen die Studien- und Prüfungsordnung nicht beachtet. Es werden Leistungen eingefordert, die so nicht vorgesehen sind und von den Studierenden nicht in der vorgesehenen Arbeitszeit bewältigt werden können. In anderen Fällen wird die Anwesenheit und Teilnahme entgegen der Studien- und Prüfungsordnung kontrolliert. Diese Vorfälle aufzuklären und richtig zu stellen, liegt ebenfalls bei engagierten Studierenden und den Prüfungsausschüssen.
Die Qualität des Ersatzangebotes variiert ebenfalls stark. In Einzelfällen haben Lehrende sich komplett von ihren Verpflichtungen zurück gezogen und stellen lediglich Vorlesungsskripte oder Texte zur Verfügung, die selbstständig und ohne Rücksprachemöglichkeit durchgearbeitet werden sollen.
Wir wünschen uns ein Konzept, dass auf Landes- oder Hochschulebene die Qualität der Lehre im Online-Semster sicher stellt.
Bedenken beim Datenschutz
Bei den eingesetzten Lern- und Konferenzplattformen gibt es seit Beginn des Sommersemesters Bedenken bezüglich des Datenschutzes. In vielen Fällen werden personenbezogene Daten ohne, dass die Notwendigkeit dazu besteht, an dritte Dienstleister weitergeleitet. Auch die primären Anbieter für Videokonferenzen, für die Lizenzen erworben wurden, sehen sich immer wieder Vorwürfen mangelnden Datenschutzes ausgesetzt, denen sie nur zögerlich begegnen.
Weiterhin gibt es beim Einsatz der Lern- und Konferenzplattformen Datenschutzbedenken. So haben Dozierende in den eingesetzten Systemen weitreichenden Zugriff in die private Sphäre der Studierenden und auf personenbezogene Daten. Kameras und Mikrofone können zentral ein- und ausgeschaltet werden, es werden umfangreiche Nutzungsstatistiken erhoben, teilweise werden ohne Rechtsgrundlage Anwesenheitslisten erstellt. Es besteht außerdem die Möglichkeit, Bild und Ton einer Konferenzsitzung aufzuzeichnen. Nur in seltenen Fällen werden Studierende auf diese Überwachungsmöglichkeiten hingewiesen und auch von den zentralen Stellen an den Hochschulen findet keine umfangreiche Aufklärung statt.
Obwohl diese Probleme bekannt sind, wird weiter behauptet, dass eine datenschutzgerechte Nutzung der Konferenzplattformen möglich sei. Gerade im Hinblick auf Daten, die ohne Notwendigkeit übermittelt werden und bei der Umsetzung des „Rechts auf Vergessen“ bestehen aber weiterhin große Defizite. Anstelle einer verpflichtenden Nutzung datenschutzrechtlich problematischer Software wäre die freiwillige Nutzung nach informierter Einwilligung zu bevorzugen gewesen und ist für zukünftige Angebote zu empfehlen.
Auch Dozierende und Mitarbeitende aus den Verwaltungen sind sich nicht ausreichend über ihre Verantwortung gegenüber personenbezogenen Daten bewusst, wenn sie die Nutzung von Software, die nicht von der Hochschule lizenziert ist, für Studierende verpflichtend machen und Teile des Lehrangebots über Drittanbieter abwickeln, die eine Registrierung verlangen und eigene Datenschutzrichtlinien haben.
Die Situation von Trans*- und Interstudierenden hat sich währenddessen weiter verschärft. An den meisten Hochschulen werden dgti-Ergänzungsausweise nicht anerkannt. Diese Praxis führt, wenn Nutzer*innennamen auf Lern- und Konferenzplattformen nicht selbstständig geändert werden können, dazu, dass Studierende mit falschen Namen angesprochen werden oder den Online-Angeboten von vornherein fern bleiben, um unangenehme Situationen zu vermeiden.
Insgesamt bedauern wir die Entscheidung vieler Hochschulen, auf teure Lösungen internationaler Konzerne zu setzen, statt Open-Source-Alternativen selbst anzubieten und zu unterstützen.
Demokratische Prozesse
Als sich die massiven Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie abzeichneten, wurden an den Hochschulen Krisenstäbe eingerichtet, die die Maßnahmen zur Eindämmung koordinieren sollten. Diese Krisenstäbe agieren abseits der etablierten Gremien der akademischen Selbstverwaltung. Da aktuell in vielen Bereichen der Gesellschaft Lockerungen der Maßnahmen erprobt werden und die Hochschulen ihren Präsenznotbetrieb beendet haben, wäre es dringend notwendig, die Arbeit der Krisenstäbe wieder einer demokratischen Kontrolle zu unterstellen und in die akademische Selbstverwaltung zu überführen.
Auf Landesebene wurden nur zögerlich Vorgaben gemacht, die die Entwicklung gelenkt hätten. Die Verantwortung für das Online-Semester wurde an die Hochschulen abgegeben, die diese zum Teil an die Fachbereiche und Institute weiter gaben. Dadurch entstand ein Flickenteppich an Regelungen, der zu einer komplexen Lage für Studierende geführt hat. Um diese Situation nicht weiter zu verschärfen, wäre es notwendig, berlinweit kulante Regelungen zur Durchführung von Prüfungen und zur Umsetzung des Wintersemesters zu erarbeiten.
Semesterticket
Im Bereich Semesterticket liefen die Absprachen mit den entsprechenden Vertreter*innnen der Studierendenschaft leider sehr schlecht. Zwar wurde kurzerhand von Seiten des Senats mit dem VBB eine Übergangslösung für wichtige Teile der Studierendenschaft erlassen. Jedoch wurden weiter reichende Maßnahmen zum Verfahren und Hinweise für die Entlastung von Beteiligten und Studienverwaltungen aus den Kreisen der Vertreter*innen der Studierenden missachtet und nicht zur Kenntnis genommen.
Auch von Seiten der Verkehrsunternehmen wurde zwar mündlich Verständnis bekundet, in den Umsetzungen jedoch in keinster Weise auf geeignete Maßnahmen eingegangen. Noch immer sind Teile der Studierenden durch die aktuellen und auch die kommenden Regelungen ausgenommen. Auf eine Einigung, die hier kurzfristig und wichtigermaßen geschaffen werden müssen, wird von Seiten des VBB verzichtet.