Änderungsvorschläge zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes 2019
In der vorliegenden Kurzfassung findet ihr die Änderungsvorschläge der Studierenden zur anstehenden Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) auf knapp fünf Seiten als Positionen zusammengefasst. Für die ausführlichen und konkreten Änderungsvorschläge sei auf unsere Langfassung verwiesen.
Berliner Studierendenvertretungen vertreten durch die LAK Berlin
zu den Themenbereichen
I. Lehre und Studium
II. Demokratische Hochschule
III. Antidiskriminierung
I. Lehre und Studium
Zur Verbesserung der Lage der Studierenden im Hinblick auf Zugänglichkeit, Selbstbestimmung, Gestaltungsfreiheit und die Unterstützung der Studierenden in ihrem Studium an den Berliner Hochschulen, sind die folgende Änderungen in der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes dringend zu berücksichtigen.
A) Studienziele: Wir verfolgen eine stärkere Fokussierung der Hochschulen auf Bildung statt Ausbildung und erwarten eine entspreched eindeutige Ausrichtung des BerlHG.
B) Zugangsbedingungen: Die Zulassung zum Studium gehört zu den Kernaufgaben der Hochschulen und die Gebührenfreiheit des Studiums sollte auch für Studienbewerber_innen ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung gelten, daher ist es allerhöchste Zeit uni-assist abzuschaffen und die Umgehung der Gebührenregelung im BerlHG zu unterbinden.
Bei einem Hochschulwechsel oder Einstieg in ein höheres Fachsemester muss die Anrechenbarkeit von Studienleistungen zu mindestens 80% und somit die Vergleichbarkeit von Studienleistungen gewährleistet werden. Ablehnungen von Anrechnungsanträgen wegen einzigartigen Veranstaltungsinhalten einzelner Hochschulen, die z.T. Zugangsvoraussetzungen für Masterstudiengänge sind, sollen verhindert werden.
Bieten Hochschulen Studiengänge mit Sprachkenntnissen als Zugangsvoraussetzung an, so sollen sie entsprechende Sprachangebote für Studienbewerber_innen schaffen.
Die hohen Zulassungshürden für beruflich Qualifizierte nach §11 BerlHG müssen dringend überarbeitet werden.
C) Selbstbestimmung & Gestaltungsfreiheit: Weder Studienverlaufsvereinbarungen, noch Zwangsberatungen erfüllen den gewünschten Zweck Studierenden zu einem Studienabschluss zu verhelfen. Sie stehen im Widerspruch zur freien Lebensgestaltung selbstbestimmter Individuen: Ganz problemlos sollte diese BerlHG-Novelle daher Zwangsberatungen und Zwangsexmatrikulationen abschaffen!
Wir verfolgen eine Erhöhung der Anzahl der zulässigen Prüfungsversuche in sämtlichen Studiengängen von derzeit i.d.R. 3 auf mindestens 3. Wir streben damit eine Minderung des Leistungsdrucks, der auf vielen Studierenden lastet an und der nachweislich nicht nur zu Prüfungsangst, sondern auch zu schlechteren Prüfungsleistungen, insbesondere unter Frauen* und Studierenden ohne akademischen Hintergrund, führt.
Darüber hinaus soll eine Flexibilisierung der Prüfungszeiträume die Organisation des Studiums, durch freiere Wahl der Prüfungstermine erleichtern. Fristen für das Ablegen und Wiederholen von Prüfungen, die allein bei Nichteinhalten zum Nichtbestehen des Prüfungsversuchs führen, sollen verboten werden.
Um dem selbstbestimmten Lernen, der individuellen Lebensgestaltung und den unterschiedlichen Lebensumständen einer vielfältigen Studierendenschaft (Berufstätigkeit, Elternschaft, chronische Erkrankungen, familiäre Verpflichtungen etc.) gerecht zu werden, fordern wir das allgemeine Verbot von Anwesenheitskontrollen in Lehrveranstaltungen.
Um der im Zuge der Bologna-Reform stark eingeschränkten Wahl- und Gestaltungsfreiheit im Studium entgegenzuwirken, fordern wir die Erweiterung der frei zu wählenden Studienanteile auf ein Drittel der Gesamtstudienleistung, wobei wie bisher auch für das Pflichtstudium aus den vollständigen Studienangeboten aller Fächer und aller deutschen, staatlichen Hochschulen gewählt werden kann.
Ursprünglich als Verpflichtung für die Hochschulen eingeführt, um Studierenden den Studienabschluss innerhalb eines festgelegten Zeitraums ermöglichen zu müssen, wird die sogenannte Regelstudienzeit zunehmend zu einer Belastung für Studierende, die ihre Studienfinanzierung und somit ihren erfolgreichen Studienabschlusses gefährdet. Die Ausdehnung der Regelstudienzeit um jeweils ein Jahr für Bachelor und Masterstudiengänge und damit verbunden die Verlängerung der Laufzeiten von Studienfinanzierungsmöglichkeiten, wie Bafög, Krediten, Stipendien sowie die Umbenennung der Regelstudienzeit in Studienverlaufsgarantie sollen dazu führen zu ihrer eigentlichen Bedeutung für die Hochschulen zurückzukehren.
D) Studienunterstützung:
Studienberatungen der Studierendenschaft, die die Interessen der Studierendenschaft gegenüber der Universität vertritt und entsprechend parteiisch ist, sind unerlässlich. Um diese zu stärken, verfolgen wir eine stärkere Anbindung dieser Beratungsangebote an die Organe der Studierendenschaften.
Um die Prüfungsausschüsse als Kontrollinstanzen für Prüfungsverfahren zu verbessern, streben wir eine Regelung an, die es ermöglicht Ausschussmitglieder von der Behandlung von eigenen Prüfungen als befangen auszuschließen und so Studierenden ein faireres Verfahren zu ermöglichen. Obwohl das Berliner Hochschulgesetz in seiner aktuellen Fassung eine umfangreiche Flexibilität bzgl. des Umfangs eines Teilzeitstudiums ermöglicht, lassen Hochschulen in der Ausgestaltung ihrer Studienordnungen häufig nur ein 50%iges Teilzeitstudium zu. Wir fordern daher, dass Laufzeiten und Übergangsregelungen von Studien- und Prüfungsordnungen so organisiert werden müssen, dass die vielfältigen Möglichkeiten des BerlHG den Umfang eines Teilzeitstudiums zu wählen anwendbar werden. Darüber hinaus streben wir die Anerkennung chronischer Krankheiten als Grund für ein Teilzeitstudium an. Die Verlängerung der Beantragungsfrist auf acht Wochen nach Semesterbeginn – bisher endet sie zu Beginn des Semesters – ist uns ein weiteres Anliegen in diesem Bereich.
Unnötigerweise müssen Studierende mit Härten für jede Veranstaltung einen eigenen Nachteilsausgleich beantragen. Um bürokratischen Mehraufwand und eine zusätzliche Belastung Studierender zu vermeiden, wollen wir erreichen, dass mit der Anerkennung als Härtefall der Anspruch auf einen Nachteilsausgleich grundsätzlich für alle Veranstaltungen und Prüfungen einhergeht. Krankschreibungen für Prüfungen enthalten häufig sehr intime Details über Studierende und ihre Erkrankungen, die i.d.R. für eine Krankschreibung nicht notwendig sind. Um die Privatsphäre von Studierenden besser zu schützen bedarf es einer Regelung, die die Hochschulen verpflichtet, zunächst normale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Krankmeldung zu akzeptieren und erst bei begründetem Verdacht weitere Atteste einzufordern.
Da derzeit Leistungspunkte (ECTS) häufig eine höhere Gesamtarbeitbelastung als die festgelegten maximalen 30 Zeitstunden umfassen, ist es an der Zeit die Arbeitsbelastung von Studierenden auf ein realistisches und zumutbares Niveau zu reduzieren. Somit schlagen wir eine Herabsetzung der Maximalarbeitsbelastung von 30 auf 25 Zeitstunden pro Leistungspunkt vor.
II. Demokratische Hochschule
Die LAK Berlin fordert eine kritische Reflexion des Bolognaprozesses und die Umsetzung der folgenden Änderungsvorschläge zur Verbesserung der demokratischen Selbstverwaltung der Berliner Hochschulen im Hinblick auf Legitimation, Effektivität und Mitbestimmung:
A) Demokratisierung:
Die Mitgliedergruppen der akademischen Mitarbeiter_innen und der Hochschullehrer_innen sollten zu einer neuen Statusgruppe der Hochschullehrer_innen oder Wissen-schaftler_innen oder wissenschaftlich Tätigen zusammengefasst und die Drittelparität in Gremien mit Ausnahme der Kommissionen für Lehre und Studium und der Forschungsnachwuchskommissionen eingeführt werden. Die Aufteilung der zu vergebenden Mandate je Gruppe ändert sich entsprechend (bspw. 8-8-8).
B) Kommission für Lehre und Studium:
Für Beschlussfassungen in Akademischen Senaten sowie in Fakultätsräten, die Angelegenheiten von Lehre, Studium und Ausbildung betreffen, sollte eine Zustimmung der zuständigen Kommissionen für Lehre und Studium Voraussetzung sein. Wir fordern also eine Stärkung des Mitspracherechts der Studierendenschaft in Studienrelevanten Angelegenheiten, d.h. eine Stärkung der Kommissionen für Lehre und Studium.
C) Kuratorien:
Wir befürworten die Anbindung der Hochschulen an die Gesellschaft, etwa durch ein Kuratorium. Wünschenswert ist u.E. allerdings eine von Arbeitnehmer_innenverbänden unabhängige Zusammensetzung dieses Gremiums. Außerdem fordern wir die bisher fehlende Öffentlichkeit der Sitzungen.
D) Rechtsabteilungen:
Es braucht eine vom Präsidium unabhängige Rechtsaufsicht inneruniversitärer Angelegenheiten. Diese relative Unabhängigkeit könnte durch die Einrichtung einer Rechtsstelle erreicht werden, deren leitende Mitglieder etwa von den Statusgruppenvertreter_innen benannt werden könnten.
E) Keine unternehmerische Hochschule:
Wir lehnen das undemokratische unternehmerische Hochschulmodell ab und befürworten ausdrücklich die Beendigung der nun mehr seit 22 Jahren andauernden Erprobungsphase und die durch die Regierungsfraktionen angestrebte Abschaffung der Erprobungsklausel.
III. Antidiskriminierung und Diversity
Neben der Verbesserung der Zugangs-, Zulassungs- und Studienbedingungen durch den Abbau struktureller Benachteiligungen, ungerechter Gebühren, Repressionsmaßnahmen einerseits und die Stärkung der Mobilität, Selbstbestimmung und Mitbestimmung der Studierenden andererseits, unterstützen wir das Bekenntnis der Berliner Hochschulen zu Antidiskriminierung und Diversity.
Um den Umgang damit an den Hochschulen zu kultivieren, schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
A) Diversity:
Alle Berliner Hochschulen sollen unter Berücksichtigung eines kritischen Diversitätsverständnisses Diversitätskonzepte entwickeln und hinsichtlich der Hochschulstruktur, des Personals, des Studiums und der Lehre, der Forschung und in Beratungsangeboten umsetzen. Ziel ist es, die existierende gesellschaftliche Vielfalt (Geschlecht, soziale – und ethnische Herkunft usw.) abzubilden, Zugänge zu erleichtern und zu fördern und Barrieren abzubauen, um so strukturellen Diskriminierungen entgegenzuwirken und sie letzten Endes abzuschaffen.
An allen Berliner Hochschulen sollen Diversitätsbüros eingerichtet werden, die die Umsetzung des Diversitätskonzepts in Zusammenarbeit mit der Akademischen Selbstverwaltung vorantreiben sollen. Vorstellbar wäre hier die Einrichtung von Beauftragtenstellen, die rechtlich und gemäß ihren Aufgaben den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gleichgestellt sind.
B) Antidiskriminierung: Die Beauftragtenstellen könnten jeweils eine_n Beauftragte_n für Antirassismus, Antiklassismus, eine_n Beauftragte für trans*, inter und nicht-binäre Geschlechteridentitäten sowie eine_n Queerbeauftragte_n umfassen. Darüber hinaus empfehlen wir jeder Hochschule Antidiskriminierungsrichtlinien und Richtlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt zu verabschieden, die genau definieren, was unter Diskriminierung verstanden wird und welche möglichen Konsequenzen die Hochschule gegen Diskriminierungen und sexualisierte Gewalt veranlassen kann. Hierfür ist auch die Einrichtung unabhängiger Beratungsstellen unabdingbar.