LAK Berlin kritisiert Elitarisierung des Studiums:
KMK-Staatsvertrag schränkt Hochschulzugang weiter ein
Ein neuer Staatsvertrag der Kultusministerkonferenz (KMK) schafft Wartesemester für zentral vergebene Studiengänge vollständig ab: Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie werden künftig nicht mehr mittels Wartesemester zu studieren sein. Die über hochschulstart.de zentral vergebenen Studiengänge sollen ab dem Sommersemester 2019 zu 30% nach Abiturbestenquote, zu 10% nach einer neuen schulnotenunabhängigen Eignungsquote und weiterhin zu 60% nach dem Auswahlverfahren der Hochschulen vergeben. Die Wartezeitquote betrug bisher 20% und eröffnete vor allem Studieninteressierten abseits eines 1,0-Abiturschnitts die Möglichkeit eines Studiums in den genannten Fächern.
Die Abschaffung der Wartesemester trifft vor allem Abiturient_innen aus nicht-akademischen, migrantischen und finanzschwachen Haushalten, die während ihrer Schullaufbahn oftmals von gesellschaftlicher Benachteiligung betroffen sind. Die KMK erschwert bis verunmöglicht ihnen damit den Einstieg in gesellschaftlich hoch anerkannte Berufszweige und befördert die Elitarisierung ohnehin schon elitärer Studiengänge. Dieses Vorgehen widerspricht der Intention des zugrunde liegenden Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2017, welches von der Gesetzgeber*in mehr Teilhabe und Chancengleichheit bei der Zulassung gefordert hatte.
Das Land Berlin plant zusätzlich eine Reform des Zulassungsrechts für örtlich vergebene Studienplätze, d.h. alle weiteren Fächern außer den oben genannten. Die LandesAstenKonferenz Berlin appelliert an die Gesetzgeber*in, die Wartezeitquote so hoch wie möglich beizubehalten (lt. BVerfG: 20%), um den eingeschränkten Hochschulzugang innerhalb des gesetzlichen Rahmens möglichst offen zu gestalten.
"Gesellschaftliche Rollenverteilung fängt bereits mit der Geburt an und wird durch das deutsche Bildungssystem noch verstärkt," sagt Luisa Bömer, LAK-Geschäftsstelle, "Kinder aus Haushalten ohne höheren Bildungsabschluss, Kinder, die von Armut betroffen sind, Kinder mit Migrationshintergrund und Children of Color erreichen dadurch in der Bewertung schlechtere Noten. Der neue Staatsvertrag opfert das ohnehin schon beschnittene Grundrecht auf freie Berufswahl einem Leistungsdogma, welches nicht mal von sich behaupten kann auf Chancengleichheit zu beruhen. Schüler*innen und Studierende müssen zusammenstehen und sich gegen Numerus Clausus und Konsorten zu Wehr setzen!"
Franziska Kleine, Hochschulpolitsche Referentin im AStA TU Berlin, ergänzt: "Die Auswahlverfahren der Hochschulen bieten mit ihrer starken Verankerung der Abiturnote kein geeignetes Mittel, um dieser Benachteiligung entgegen zu wirken. Im Gegenteil, einige der dort aufgeführten Kriterien werden diese nur ebenfalls verstärken. So sorgen Eingangstests dafür, dass potenzielle Studierende die Zeit aufbringen müssen für diese zu lernen. Wer arbeiten muss, um sich selbst zu finanzieren ist klar benachteiligt. Wer sich Kosten und Zeit für Vorbereitungskurse leisten kann, ist klar im Vorteil. Soziale Selektion in Reinform."
Die LandesAstenKonferenz Berlin fordert Zulassungskriterien, die Benachteiligungen aufgrund von Diskriminierung abbauen und das von der Verfassung garantierte Recht auf freie Berufswahl umsetzen. Im Zweifel muss mit einer deutlichen Erhöhung und Finanzierung von Studienplätzen bzw. einer Öffnung hin zu zulassungsfreien Studiengängen reagiert werden.
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