Bericht: "Der Kampf um die Wohnung war psychisch extrem belastend und oftmals der Grund, weshalb ich den Seminaren fernblieb."

Eingesendet von Josefin, ASH-Studentin.

Ich bin Josefin, 27 Jahre alt, staatlich anerkannte Erzieherin und Studentin. 2015 zog ich gut ausgebildet von Dresden nach Berlin und war glücklich darüber, genau den Arbeitsplatz zu bekommen, den es in Dresden nicht gab. Eine eigene Wohnung, so musste ich schnell feststellen, konnte ich mir von meinem ersten Gehalt jedoch nicht leisten, da Erzieher*innen nicht ausreichend bezahlt werden. Also komprimierte ich meine damalige 2-Raum Wohnung auf ein WG Zimmer, obwohl ich so eigentlich nicht mehr leben wollte, da ich wilde WG-Zeiten längst hinter mir gelassen hatte. Die Aussicht auf meine eigenen vier Wände schwand dahin und frustrierte mich zunehmend. Somit entschied ich mich dann doch für ein Studium, um später ein besseres Einkommen zu haben, wovon ich u.a. auch selbstbestimmt wohnen kann.

Heute studiere ich im 3. Semester an der Alice Salomon Hochschule und bereue den Schritt keinesfalls, obwohl ich nun noch weniger Geld zur Verfügung habe, als zuvor. BAföG bekomme ich nicht aufgrund meiner Vorausbildung und falle somit durch ein gesetzliches Raster. Meine Eltern können mich nicht unterstützen, aber mit diversen Jobs und einem Studienkredit komme ich über die Runden. In meiner WG habe ich mich mittlerweile auch gut eingelebt, allerdings müssen wir im März 2018 die Wohnung räumen. Die Eigentümer des Hauses haben Eigenbedarf angemeldet und diesen gerichtlich durchgesetzt. Real betrachtet heißt das, man tauscht uns gegen zahlkräftigere Mieter*innen aus, denn unser Kiez erfreut sich steigender Beliebtheit und Wohnraum ist hier Mangelware. Wo hohe Nachfrage besteht, kann man deutlich mehr Gewinn erzielen - dabei standen wir Altmieter *innen im Weg. Der Kampf um die Wohnung war psychisch extrem belastend und oftmals der Grund, weshalb ich den Seminaren fernblieb. Trotzdem habe ich die ersten Semester sehr gut abgeschlossen, worauf ich wirklich stolz bin.

Allmählich naht der Umzug mit großen Schritten, eine neue Wohnung habe ich noch nicht in Aussicht. Notfalls kann ich bei Freunden unterkommen. Der WBS lässt lang auf sich warten und fraglich ist sowieso, ob sich damit die Chancen auf eine bezahlbare Wohnung erhöhen. Bezirke, die als neue Wohnumgebung in Frage kämen, sind total dicht und maßlos überteuert. Wahrscheinlich muss ich weiter wegziehen und lange Fahrtwege zu Freunden, Ehrenamt, Hobbys und Uni in Kauf nehmen. Es ärgert mich, dass keine bezahlbaren Wohnungen gebaut werden und Menschen mit geringem Einkommen mehr und mehr aus ihrem Sozialen Umfeld gedrängt werden, indem sie ihren Kiez verlassen müssen. Faktisch besteht kaum noch Wahlrecht, in welchen Bezirk man ziehen möchte, muss viel mehr nehmen was man kriegen kann. Durch mein Engagement in einer politischen Gruppe, die von Zwangsräumung Bedrohte unterstützt, kenne ich viele solcher Schicksalsfälle. Es fällt mir schwer zu verstehen, warum die Politik den Investor*innen und Eigentümer *innen freie Hand lässt, den Wohnungsmarkt nach ihrem Gusto zu gestalten. Zudem ist die Rechtssprechung über Jahre hinweg immer mieter *innenunfreundlicher geworden und lässt krude Praktiken zu, um Menschen zu verdrängen. Die Tatsache, dass studentische Notunterkünfte gefordert werden müssen, finde ich wirklich erschreckend. Wohnraum ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse eines jeden Menschen und sollte keine Ware sein! Die Politik muss endlich aus der Schockstarre erwachen und handeln. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum auch für all jene, die studieren oder in Ausbildung sind, die von Transferleistungen leben, ein knappes Einkommen haben und sich mit prekärer Beschäftigung über Wasser halten.