Studierendenschaften Berlins zeigen sich bestürzt über das Aus des Semestertickets
Die Verhandlungen um das Semesterticket für das Sommersemester 2023 mussten abgebrochen werden, da der VBB trotz monatelanger Bitten kein abstimmungsfähiges Angebot vorgelegt hat und der zeitliche Spielraum erschöpft ist. Das letzte Angebot basierte auf dem Vorschlag der ASten, als letzten Versuch, das Semesterticket noch zu retten, ohne in formale, rechtliche oder finanzielle Nöte zu geraten. Der VBB lehnte diesen Vorschlag ab und präsentierte ein Angebot, das nicht einmal den rechtlichen Mindeststandard entspricht und weiterhin auf eine Erhöhung des Preises auf 35,05€ pro Monat besteht. Die Verhandlungen sind damit aus mangelnder Zeit bis zur Rückmeldefrist der Studierenden gescheitert. Es braucht nun eine schnelle Reaktion der Koalitionsparteien.
„Das Angebot, dass wir letzten Freitag vom VBB erhalten haben, ist eine Frechheit“, findet Stefanie Döring vom AStA der HTW. „Nicht nur, dass das Angebot gar nicht unterschreibungsfähig ist, der VBB hat auch eine Teilhabe der Studierenden an dem Zuschuss von einer halben Milliarde des Landes für vergünstigte Tickets ausgeschlossen. Auch an den entstehenden Kosten für dieses vom VBB verschuldete, viel zu späte Angebot wollte er sich nicht beteiligen. Da keine Zeit für weitere Nachverhandlungen bleibt, müssen wir feststellen, dass die Verhandlungen damit gescheitert sind.“
Seit Monaten weisen die Studierendenschaften auf die drängende Zeit bis zum Abschluss des Semesterticketvertrags hin, zuletzt öffentlich mit einem Brandbrief, der auch an Senatorin Bettina Jarasch adressiert war. Eine Reaktion darauf bleibt sie bis heute schuldig. Diese Missachtung unseres Hilferufs empfinden wir als verantwortungslos, mit entsprechendem Einsatz hätte sich das Semesterticket möglicherweise retten lassen.
„Wir sind verärgert“, erklärt Gabriel Tiedje vom AStA der TU Berlin. „Seit 2 Jahren haben die Studierenden das Semesterticket bezahlt, obwohl sie während der Pandemie ihre Jobs verloren, bei zum Teil geschlossenen Hochschulen zu Hause bleiben mussten und aktuell, als mit am stärksten von Armut betroffene Gruppe, dringend Entlastung brauchen. Wir erwarten mehr von einer Politik, die vorgibt, eine ökologische Verkehrswende voranzutreiben und deswegen Ticketpreise subventioniert: Spürbare finanzielle Entlastung der 200.000 Studierenden Berlins, wenn schon nicht durch ein kostenloses Ticket für das kommende Semester, dann zumindest mit einem Zuschuss, der sich auch so nennen kann.“
Auch in einer letzten Notfallsitzung am vergangenen Mittwoch, an der auch die Staatssekretärinnen Dr. Niedbal und Frau Naghipour teilnahmen, lies sich keine Lösung finden. Die Staatssekretärin für UMVK schloss jedoch die Runde mit der Hoffnung auf eine Aufnahme der Studierenden ins Sozialticket, das aktuell 9€ pro Monat kostet.
Wir erwarten, dass die Landesregierung im Gesamten sich dieser Verantwortung stellt und eine Lösung findet. Neben der Aufnahme ins Sozialticket, für das sich schon jetzt gut die Hälfte der Studierenden durch Wohngeld oder ALG2 Anträge qualifizieren könnten, wären auch ein preisgünstiges Studierendenticket und günstige Anschlusstickets für den C-Bereich oder das Fahrrad denkbare Lösungen. Wir hoffen auch auf die Wiederaufnahme der Verhandlungen für ein Semesterticket im Wintersemester 2023/24. Damit Letzteres noch klappt, muss spätestens im Februar ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegen.
Ob das aktuelle Angebot von einzelnen ASten in der aktuellen Notlage doch angenommen werden muss, wird sich in den nächsten Wochen klären, da die Bedingungen sich an den verschiedenen Hochschulen unterschiedlich darstellen können und die verschiedenen Organe der Studierendenschaft darüber befinden müssen. Der Zuschuss von 500 Millionen vom Land Berlin entspricht über 90% der Einnahmen der BVG aus dem letzten Jahr. Damit wäre es möglich, für alle Menschen in Berlin ein 9 Euro Ticket anzubieten. Das würde darüber hinaus der rassistischen Praxis und anderen diskriminierenden Kontrollen und Kriminalisierungen von Menschen ohne Tickets entgegenwirken.
Hintergrund des Semestertickets
Das Semesterticket gilt für den Tarifbereich ABC inklusive Fahrrad und muss per Urabstimmung durch die Studierenden angenommen werden, wenn sich der Preis des Tickets erhöht oder sich die Konditionen wesentlich verändern, wie es durch die Einführung mehrerer Ticketvarianten geschehen ist (9€ (AB), 29€ (AB) und 49€ Ticket (Deutschlandweit). In diesem Fall müssen die Studierenden vorab eine Urabstimmung durchführen, für die bestimmte Fristen eingehalten werden müssen. Da die Bezahlung des Semestertickets über die Rückmeldegebühren für das kommende Semester abgewickelt wird, braucht es ein Ergebnis der Urabstimmung vor dem Beginn der Rückmeldefristen der Hochschulen. Die Rückmeldefristen beginnen an einigen Hochschulen bereits im Dezember. Das Semesterticket im Solidarmodell wurde von den Studierendenschaften in jahrelangen politischen Prozessen erkämpft, da sich die Politik viel zu lange nicht ausreichend um die sozialen Belange von Studierenden gekümmert hat.